Der Tänzer Bodo Kroll
Rock'n'Roll und Boogie Woogie
der Tanz meines Lebens...
Hallo Rock´n´Roll Fans,
eigentlich gehöre ich zum deutschem Rock'n'Roll Ur-Gestein. Ersten Kontakt zu dieser Art von Extremsport hatte ich bereits Mitte der 70' Jahre. Da gab es in Cuxhaven bei der Tanzschule Beuss einen innovativen Tanzlehrer, der im Auftrag seiner Chefin durch die umliegenden Dörfer tourte, um den Kids einen A + F Kurs nach den ADTV-Regeln nahezubringen.
In Neuenkirchen im Landkreis. Cuxhaven bin ich noch fahrradfahrender Weise in so einen A-Kurs gestolpert, der mir einfach Spaß machte. Statt des ADTV-"Boogie Trampelschrittes", bot er unüblich einen Rock'n'Roll Dreierschritt an, der natürlich viel mehr Interesse fand.
So dauerte es jedoch noch einige Jahre bis ich mit 18 Jahren endlich mit eigenem Wagen zur Tanzschule nach Cuxhaven fahren konnte, um dort weitere Kurse zu nehmen. Dazu gehörte natürlich auch am Samstagabend die "Tanzschuldisco". Ende der Siebziger war RnR gerade wieder angesagt und Shakin Stevens und Co. dröhnten aus den Lautsprechern. Da hatte ich mir gerade eine süße Maus ausgespäht und zum Tanzen aufgefordert. Bei dem Rhythmus bot ich ihr einen Jive an, worauf sie frech fragte, ob ich denn RnR-Tanzen könnte.
Foto: Alex und Bodo zikra 1979
Dank des alten A-Kurses konnte ich. Die kleine Alex war total begeistert und fragte, ob ich am kommenden Sonntag zum RnR-Training in die Tanzschule kommen mochte. Sie bräuchte noch einen Tanzpartner für den gerade gegründeten RnR-Tanzkreis.
Gesagt getan, so kam ich zum Tanzschulrocknroll in die Tanzschule Beuss. Dort leitete gerade jener Tanzlehrer diese Gruppe. Schwerpunkt war seinerzeit jedoch mehr das Feiern als das Tanzen. So lernten wir einige gruslige Hauruck Akros, keinerlei Grundtechnik und wenige Tanzfiguren, die laufend umgestellt worden um uns, und auch dem Publikum vorzugaukeln, wir hätten schon wieder eine neue Tanzfolge.
Der Rock'n'Roll nahm damals den "Lateinern" der Tanzschule die Krone der Publikumsgunst ab, was diese natürlich wenig begeisterte. Ein Umstand, der die Applaus verwöhnten Lateiner zum Grübeln verführte. So sickerte diese Truppe nach einiger Zeit bei den RnR'lern ein, was ich damals scherzhafter Weise "Infiltration" nannte. Doch es kam der Sache recht nahe. Innerhalb weniger Monate wurde die "alte" Truppe ausgegrenzt.
Als dann die ersten Deutschen Meisterschaften im RnR -Formationstanz im Zirkus Krone Bau in München ausgeschrieben wurden, fuhren bis auf wenige Ausnahmen nur noch die Lateintänzer hin, obwohl diese zum Teil noch grottiger Rock'n'Roll tanzten als wir. Dies war für mich, genauso wie für die anderen "alten Hasen" der Grund der Tanzschule den Rücken zu kehren.
Doch wo konnte ein wilder Haufen wie wir es waren trainieren?
Mit Überredungskunst und einer Flasche Alkohol durften wir gelegentlich abends in den Hapag-Hallen in Cuxhaven (dank des damaligen Hausmeisters). Leider reichte das nicht, um die Truppe zusammen zu halten. So schauten wir uns nach einem regulären Sportverein um und fanden ihn im Grodener SV (einem Stadtteilsportverein in Cuxhaven).
Jung, dynamisch und erfolglos versuchten wir dort alles besser zu machen. Alle wollten alles gemeinsam machen und brauchen keinen Chef - ein schöner Vorsatz, der an der Fluktuation der Besessenen scheiterte. Ich musste zur Bundeswehr, andere gingen studieren usw. Zurück blieb ein winziges Häufchen Unentwegter unter der Leitung einiger Verrückter. Damals begann ich meine Karriere als Einzelpaar mit Christiane, was jedoch an meiner Zusatzbeschäftigung als Musiker scheiterte. Die Wettkämpfe waren an den Wochenenden, genauso wie meine Musikauftritte. So trat das Tanzen zugunsten des "Geldverdienens" zurück.
Leider war einer der "Verrückten" wirklich ein wenig "seltsam". So kam es zu Vorfällen, die die Gruppendynamik nachhaltig zerstörten. Hierzu nur ein Beispiel: Wir wollten gern wieder eine Formation tanzen wie in der Tanzschule - besagte Person nicht. So arbeitete ich eine Folge aus (übrigens meine Erste, muss so Mitte der achtziger Jahre gewesen sein).
Alle machten mit, bis auf unseren speziellen Freund. Um unserer Training zu torpedieren, begann er mit seiner Tanzpartnerin plötzlich in Mitten der Formation seine Einzelfolge zu trainieren. Seine Begründung war einfach: Er könne in der Halle trainieren, wo er wolle!
Über die Jahre eskalierte die Angelegenheit immer stärker, bis 1989 der Bruch unvermeidlich war. Der gesamte Rest der RnR'ler trat geschlossen aus dem Grodener SV aus, um zum TSV Otterndorf zu wechseln, der sich schon seit Jahren um diese Rock'n'Roll Gruppe bemühte. Lediglich dieser "Spezialist" blieb mit seiner Tanzpartnerin (und gleichzeitig Freundin) zurück. Da ihm jegliches Knowhow in Sachen Trainingsanleitung und Motivation fehlte, schaffte er es leider nicht, eine neue Gruppe aufzubauen.
Im TSV Otterndorf versuchte ich aus den Fehlern in Groden zu lernen. Es gab kein: "Wir wollen alles gemeinsam machen und brauchen keinen offiziellen Chef". Dieses Mal nahm ich die Fäden in die Hand und gab die Richtung vor. Gleich zu Beginn baute ich, neben einer neuen eigenen Einzel-Paartanzkarierere, eine neue Formationstruppe auf (10 Paare), die bereits 1990 an ersten Wettkämpfen teilnahm.
Foto: Platz 3 beim ersten Wettbewerb in Hameln
Um nicht in der namenlosen Masse der Rock'n'Roll Formationen unterzugehen, entschlossen ich mich, Neuland im Bereich des Rock´n´ Roll zu betreten. Ich wählte den Titel "Ich bin wie Du" aus dem Dschungelbuch aus. Die Choreographie wurde dem berühmten Disney-Trickfilm an vielen Stellen nachempfunden. Humorvolle Tanzfiguren rundeten das Gesamtbild ab. Als Einmarschmusik diente die Elefantenparade aus dem gleichen Film. Die Formation mit dem Namen Big Ballu war geboren. Natürlich sorgten wir aufgrund der kreativen Idee für erhebliches Aufsehen.
Meine Einzelpaartanzkarriere scheiterte diese Mal an der passenden Dame. Nach drei arbeitsintensiven Versuchen gab ich schließlich auf. Dafür konnte ich zumindest meine "Dritte", Stefanie für den Formationstanz gewinnen.
Foto: Steffi und Bodo 1992
Der erste Wettkampf der Big Balu Formation im Jahre 1991 bescherte gleich den 3. Platz. So steuerten wir zielstrebig auf die Deutschen Meisterschaften der Formationen zu. 1992 war es dann in Passau soweit. Auch dort begeisterten wir das Publikum mit unserer Originalität.
Foto: DM in Passau 1992
Stetig versuchten wir, unsere Leistung zu verbessern. Bereits ein Jahr später stellten wir unsere neue Formation Black Slacks auf. Neue professionelle Trikots und eine klassische Choreographie sollten beweisen, dass wir durchaus auch sportlich mit den Top-Formationen mithalten konnten.
Mit Platz dreizehn bei den Deutschen Meisterschaften in Flensburg und dem 3. Platz der Landesmeisterschaften 1994 in Göttingen erreichte unser Team dann seinen Zenit.
Mit diesen Erfolgen wuchs natürlich auch das Interesse an unserem Club. Der Grundstein einer Kinderabteilung wurde gelegt, ein ausgefeiltes Showprogramm wurde erarbeitet, und eine erste Boogie-Woogie-Gruppe fand sich zusammen.
Es gelang uns, Herrn Michael Höhne als Trainer zu verpflichten. Herr Höhne hatte seine eigene Formation 1992 bis zu den Weltmeisterschaften gebracht und verfügt über das Wissen, was uns bisher fehlte. Unter seiner Leitung wurde das Aufbautraining komplett umstrukturiert. Es bildeten sich vier Leistungspaare, die in der Quartett-Klasse starteten. 1998 erreichten sie Platz 10 von Deutschland mit einer furiosen Darbietung in Worms.
Foto: DM in Worms 1998
Leider bestimmen auch die finanziellen Mittel die Teilnahme an den verschiedenen Meisterschaften. So fanden wir glücklicherweise in der Plambeck-Firmengruppe aus Cuxhaven einen Sponsor, der uns über diese Hürde hinweg half. Der RRC High Fidelity bedankte sich für diese Unterstützung mit dem 8. Platz beim DRBV-Cup in Hameln und dem 9. Ranglistenplatz von Deutschland.
Foto: 1999 Hameln
Das Jahr 2000 brachte nun eine weitere Steigerung für den Verein aus Otterndorf. Zum ersten Mal war es uns gelungen, den Deutschland-Cup der Rock´n´ Roll - und Boogie-Woogie - Formationen an die Nordsee zu holen. Die Größe der Veranstaltung bedingte die Ausrichtung im nahegelegenen Cuxhaven.
Die Formation für das Jahr 2000 trug den Namen Jeannie. Als Grundlage wählte unser Trainer Michael Höhne die amerikanische Comedy-Serie, die in Deutschland unter dem Namen "Bezaubernde Jeannie" lief. Ein- und Ausmarsch ist die neu arrangierte Titelmusik des Films im Stil der heutigen Zeit. Die Formationsmusik setzt sich aus Teilen der Titel "Wait" und "Can´t Get Enough" zusammen. Viele Akrobatik-Teile entsprechen dem höchsten Schwierigkeitsgrad im Rock´n´ Roll.
Sticker "Bezaubernde Jeannie"
Die Jahre 2001 bis 2003 waren die Jahre des Generationswechsels. So schieden alle unser bewährten Tänzer aus familiären und beruflichen Gründen aus. Neue Paare fanden ihren Weg in die Formation.
Bei den Kinder Rock'n'Rollern tat sich ebenfalls so einiges. So wurden zwei Kindergruppen gebildet. Am Freitag von 16.30 Uhr bis 18.00 Uhr zeigte Alexandra Lerch (ehem. Formationsmitglied) unseren Jüngsten wo es lang geht. Am Dienstag brachte unsere zweite Vorsitzende Ute Teut (ebenfalls ehem. Formationsmitglied) die etwas größeren Kids auf Trab.
Der Erfolg gibt den Damen Recht! Bei dem damals besuchten Breitensportwettbewerben in Winsen/Aller und Hamburg erreichten in allen Startklassen Paare unseres Vereins die Endrunden. Auch Utes neue Kids-Formation sorgte mit einem sehr harmonischen Bild für Aufmerksamkeit. Ergebnisse, die für eine kontinuierlich gute Aufbauarbeit stehen.
Ab Sommer 2002 entwickelte sich ebenfalls eine neue Formationstruppe bei den "Großen". Unter dem Motto: "König der Löwen" entwickelte ich mit Hilfe einer kleinen, jedoch sehr motivierten Gruppe eine komplett neue Choreographie. Doch noch fehlten die Tänzer, die Formation erfolgreich umzusetzen. Es galt Aufbauarbeit zu leisten und junge Menschen für diesen Sport zu motivieren. Leider schieden jetzt auch Ute und Alexandra aus dem Trainerpool aus. Christian Klein übernahm 2004 beide Gruppen und ließ sich von Ines Prylepa und Nicole Hamcke unterstützen.
Im gleichen Jahr wurde Inga Weinberg und Christian Klein Gesamtsieger im Breitensport der Klasse 2 und holten sich den North Star Cup. Die Zwei waren unser erstes Turnierpaar seit den 90' Jahren.
Foto: Inga und Christian
Nach zwei Jahren intensiver Jugendarbeit und immer neuer Rückschläge wurde 2005 endlich vom Erfolg gekrönt. Nun holten unsere Kids einen Erfolg nach dem Anderen im Bereich des Breitensports. Die ganzen Endrundenteilnahmen und Treppchenplätze hätten es wirklich verdient, hier Erwähnung zu finden, doch als gelernter Faulpelz habe ich leider nicht alles so archiviert, das es hier hätte Eingang finden können.
Foto: RnR-Kids von 2005
Seit 2006 habe ich die gesamte Leitung an Christian Klein übergeben und tanzte nur noch zum Spaß und für Showauftritte mit... ... bis zum Herbst 2007. Dort stand ein großer RnR Show Event an und meine Freizeittanzpartnerin hatte leider keine Zeit, es fehlten wie so oft aber Auftrittspaare. Kurz entschlossen sagte Christian, ich solle doch einfach mit jemand anderen tanzen. Gesagt - getan, so probierte ich mein Tanzglück mit Nadine Geisler, eine prima Entscheidung. Der Auftritt lief so gut, dass Christian uns in sein nächstes Projekt holte. Nach acht Jahren Pause sollte ich nun mit Nadine die Deutschen Formationsmeisterschaften im Oktober 2008 in Flensburg anpeilen.
Am 04.10.2008 war es dann soweit. Mit Platz 8 in der Quartett-Klasse und einer persönlichen Leistung, die meinen Vorstellungen entsprach kann ich mich jetzt mit einem guten Gefühl vom Rock'n'Roll verabschieden. Danke nochmals an Nadine, die mir diesen schönen Abschluss ermöglicht hat.
Foto: Nadine und Bodo
Neben Rock’n’Roll gab es auch andere Tanzausflüge. So wurden wir z.B. 1990 von der Ballettschule Hirschfelder aus Cuxhaven angesprochen, einmal bei einem Musical mitzutanzen. Daraus entwickelte sich eine Verbundenheit, die immer wieder zu gemeinsamen Tanzabenteuern führte. So durfte ich bei Aufführungen wie der "König von Siam" mitmachen. Ein ganz neues "Tanzerlebnis".
Foto: König von Siam 2001
Doch auch an der Mutter des Rock’n’Rolls kam ich nicht vorbei. Dabei begann es ganz harmlos. Nach einer verlorenen Wette Anfang der 90‘ Jahre durfte ich mal eben innerhalb weniger Wochen diesen Tanz lernen, da ich versprochen hatte, gemeinsam mit anderen Paaren einen Wettkampf zu tanzen.
Nach knallhartem Training schaffte ich es mit meiner damaligen Rock’n’Roll Tanzpartnerin Claudia Langner in Hannover auf Anhieb einen zweiten Platz zu erringen. Damit hatten wir "Blut geleckt" und tanzten noch viele Wettbewerbe und Shows bis in das neue Jahrtausend hinein.
Foto: Claudia und Bodo 1996
Danach gründete ich einen Boogie-Woogie Tanzkreis, der nie Wettkampfklasse erreichte, dafür jedoch für einen großen "Spaßfaktor" sorgte. Zusätzlich hatte ich mit Anja wieder eine grandiose Partnerin, mit der ich in den Jahren 2008 bis 2011 tolle Shows tanzen konnte.
Foto: Anja und Bodo 2009
Leider hatte ich auch andere Verwaltungsfunktionen im TSV Gesamtverein übernommen, die sich, wie so oft, über die Jahre als wenig erfreulich herausstellten. Da ich Entscheidungen des Vorstands eines Tages nicht mehr guten Gewissens vertreten konnte, kündigte ich meine Mitgliedschaft im TSV Otterndorf e.V. zum 30.09.2012.
Als Abschiedsgeschenk für meine Freunde organisierte ich noch die Meisterschaften im Rock’n’Roll für die Länder Niedersachsen und Hamburg am 06.10.2012, die wir mit großem Erfolg abschlossen.
Seit diesem Tag hängen meine Tanzschule endgültig am "Nagel". Es war eine wirklich wunderbare Zeit, die ich mit diesem Sport erleben durfte.
Foto: RnR Schuhe am "Nagel"